Fotos: Patrick Pfeiffer


Antigone von Sophokles in der Nachdichtung von Walter Jens am 24. Januar im Stadtsaal

Burghausen. Am Dienstag, 24. Januar um 20:00 Uhr kommt die Württembergische Landesbühne mit einem klassischen Gastspiel in den Stadtsaal: Antigone von Sophokles in der Nachdichtung von Walter Jens. Der Fluch gegen Ödipus, der seinen Vater getötet und vier Kinder mit seiner Mutter gezeugt hat, ist an seine Söhne weitervererbt worden. Nach Ödipus’ Tod haben sich Polyneikes und Eteokles im Kampf um den Thron in Theben gegenseitig getötet. Der neue Herrscher Kreon verfügt, dass sein Neffe Polyneikes als Vaterlandsverräter nicht bestattet werden darf. Antigone, die Schwester der beiden Kämpfer, kann das nicht zulassen: Sie sieht den Willen der Götter missachtet. Trotz der von Kreon angedrohten Todesstrafe und der Warnungen ihrer Schwester Ismene bestattet sie ihren Bruder Polyneikes gemäß den traditionellen religiösen Vorschriften. Antigone fürchtet den Tod und riskiert doch alles. Ihr radikales Handeln gefährdet die Staatsräson. Kreon spricht zwischen Pflicht und Verblendung ein Todesurteil gegen Antigone aus und lässt sie lebendig einmauern. So entsteht ein verhängnisvolles Wechselspiel, das schließlich sowohl Kreons Sohn und Antigones Verlobten Haimon als auch Kreons Gemahlin vernichten wird. Schon vor 2500 Jahren stellte Sophokles mit seiner Tragödie das Publikum vor das Dilemma: Steht das Gewissen über dem Gesetz? Nach welchen Gesichtspunkten kann man im Konflikt zwischen Gewissen und Gehorsam definieren, was Recht und was richtig ist? Der Altphilologe Walter Jens hat sich zeit seines beruflichen Lebens mit Antigone auseinandergesetzt. „Ich glaube, dass niemals in der europäischen Literatur das, was der Mensch sein könnte, so exakt beschrieben worden ist wie im Chorlied der Antigone: ‚Ungeheuer ist viel, aber nichts ungeheurer als der Mensch.‘ Warum? Weil er, so heißt es, ‚weit über Erwarten mit Können und Geist ist, dann aber einmal zum Schlechten und einmal zum Guten hin strebt.‘ Das heißt, die Kluft zwischen dem, was der Mensch kann, und dem, was er leider nicht tut, nämlich sich moralisch zu verhalten, ist gewaltig. Diese Ambivalenz hat mein Leben bestimmt, und darüber nachzudenken hat, denke ich, die Jahre und Jahrzehnte gelohnt.“ Walter Jens schrieb Romane zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Hörspiele und Fernsehspiele, zahllose Essays. Als Inhaber des einzigen Lehrstuhls für Rhetorik in Deutschland an der Universität Tübingen rückte er konsequent jene Dichter, Schriftsteller und Philosophen ins Licht, die sich für eine streitbare Demokratie einsetzten. Im Gedächtnis bleibt er auch als Literaturhistoriker, Autor und Präsident der Berliner  Akademie der Künste. Aus dem Nachruf von Beate Ziegs, 10.06.2013