ChemDelta wirbt in Berlin fürs Chemiedreieck

 

Gesprächsreiche Tage liegen hinter den Verantwortlichen von ChemDelta Bavaria. Eine zehnköpfige Delegation der Initiative war jetzt in Berlin zu Gast, um in der Hauptstadt Abgeordnete und Ministeriale darüber aufzuklären, wo die Region und die Chemieindustrie der Schuh drückt.

Standen bei früheren Berlin-Besuchen Verkehrsthemen wie die ABS38 und die A94 klar im Fokus, so sind diese zuletzt aufgrund nochmals bedrohlicherer Aspekte etwas in den Hintergrund gerückt. Vor allem die Energieproblematik treibt derzeit die Unternehmen um – die Frage also, wie die heimische Industrie künftig stabil mit ausreichend klimaneutralem Strom und Wasserstoff versorgt werden kann, noch dazu zu international wettbewerbsfähigen Preisen. Als unverzichtbar sehen die ChemDelta-Verantwortlichen hier neben einem Transformationsstrompreis für die Industrie eine zweite, zusätzlich zur derzeit in Planung befindlichen 380-kV-Leitung zu errichtende Höchstspannungsleitung an. Sie soll aus Richtung Simbach ins Chemiedreieck führen und die regionale Leitungskapazität steigern. Denn schon heute ist diese ausgereizt, wichtige Zukunftsprojekte müssen aktuell geschoben oder an anderen Standorten verwirklicht werden. Und künftig wird der Strombedarf noch spürbar anwachsen, weil im Zuge der Erreichung der Klimaneutralität fossile Energieträger ersetzt werden müssen, was einen steigenden Elektrifizierungsgrad mit sich bringt.

Brandaktuell für die Industrie im Bayerischen Chemiedreieck ist auch das Thema PFAS, und das in doppelter Hinsicht. Zum einen droht dem Dyneon-Standort Gendorf bekanntlich das Aus, zum anderen bereitet das eben angelaufene Verbotsverfahren auf EU-Ebene den Unternehmen große Sorgen. Denn anders als in der Öffentlichkeit mitunter wahrgenommen, kommen perfluorierte Substanzen längst nicht nur in Alltagsgegenständen wie Bratpfannen und Outdoor-Bekleidung zum Einsatz, sondern auch in Bereichen von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des ganzen Landes. Gerade die Gruppe der maßgeblich von Dyneon produzierten und nach heutigem Wissen gesundheitlich unbedenklichen Fluorpolymere ist aus Sicht der Industrie auf absehbare Zeit unersetzlich. Aus diesen Fluorkunststoffen werden unter anderem medizinische Implantate gefertigt, ebenso sind sie bei der Herstellung von Halbleitern und Industrieanlagen, in der 5G-Telekommunikationstechnik und in vielen Bereichen der Energietransformation notwendig, sei es bei Brennstoffzellen, der Wasserstoff-Elektrolyse oder der Batterietechnik. Unter anderem werden die extrem widerstandsfähigen und schmutzabweisenden Fluorpolymere benötigt, um Rohre und Anlagen auszukleiden und abzudichten oder auch für die Membranen in der Chlor-Alkali-Elektrolyse. Schließlich müssen diese im Industriealltag aggressiven Stoffe wie Säuren und Laugen standhalten. Zugleich garantieren nur die Fluorpolymer-Beschichtungen Reinheitsgrade, wie sie beispielsweise im Halbleitersegment Grundvoraussetzung sind.

Über diese und weitere Aspekte informierte die ChemDelta-Delegation nicht nur die Staatssekretäre im Wirtschaftsministerium und im Forschungsministerium, Michael Kellner und Mario Brandenburg, die Thematik beherrschte auch den Höhepunkt der jährlichen Berlin-Gespräche: eine Diskussionsrunde mit bayerischen Bundestagsabgeordneten in der Vertretung des Freistaats. Etwa 25 Abgeordnete und Mitarbeiter nutzten fraktionsübergreifend die Gelegenheit, sich von den regionalen Verantwortlichen von AlzChem, Dyneon, InfraServ, OMV, Wacker und Westlake Vinnolit aus erster Hand informieren zu lassen.

Zur Sprache kamen dabei auch weitere fürs Chemiedreieck folgenreiche EU-Beschränkungspläne. Generell sehen die ChemDelta-Verantwortlichen zusehends eine besorgniserregende Tendenz – weg von der bewährten Praxis, anhand einer wissenschaftlich fundierten Risikobewertung zu entscheiden. Stattdessen gehe es vielfach nur mehr darum, jedes mögliche Gefahrenpotenzial auszumerzen, ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen.

Mit dieser Thematik war die ChemDelta-Gruppe in Berlin auch im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorstellig. Ebenso ging es dort um gesetzliche Hürden, die dem geplanten Gendorfer Biomassekraftwerk durch die Neuregelung der Erneuerbaren-Energien-Verordnung auf EU-Ebene (RED III) entgegenstehen könnten.

Gänzlich blieb dann auch der Dauerbrenner und einstige Gründungsgrund für die ChemDelta-Initiative nicht außen vor: die ABS38. So brachten die Vertreter des Chemiedreiecks im Bundesverkehrsministerium gegenüber Staatssekretär Michael Theurer ihr Unverständnis über die jüngsten Verzögerungen zum Ausdruck – versehen mit dem Anliegen, bei zwei Planungsabschnitten zu prüfen, ob diese aus dem Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz wieder herausgenommen werden können, um sie zeitnäher umzusetzen. Zum einen betrifft das den Abschnitt Tüßling-Burghausen mit der Entschärfung des Piracher Berges. Zum anderen benötigt die Industrie im Raum Dorfen oder Markt Schwaben schnellstmöglich einen Begegnungsabschnitt, um die maximale Güterzuglänge nutzen zu können.

Nach den Gesprächen in Berlin geht es für ChemDelta Bavaria nahtlos weiter in München. So stehen dort in den kommenden Wochen Diskussionsrunden mit den Fraktionen von CSU, Grünen, Freien Wählern, SPD und FDP an. Ziel ist es, auch dort der Politik die Notwendigkeiten – und ebenso die Zukunftschancen – des Chemiedreiecks näherzubringen.

Fotos (Personenreihenfolge zu Bild 9): Höhepunkt der Berlingespräche war eine Diskussionsrunde mit Bundestagsabgeordneten in der bayerischen Vertretung. Dabei stellten (hinten v.l.) InfraServ-Geschäftsleiter Dr. Christoph von Reden, OMV-Deutschland-Geschäftsführer Dr. Stefan Hölbfer, Dyneon-Geschäftsführer Burkhard Anders, Wacker-Werkleiter Dr. Peter von Zumbusch, ChemDelta-Sprecher Dr. Bernhard Langhammer, AlzChem-CEO Andreas Niedermaier, Westlake Vinnolit-Sprecher Dr. Oliver Mieden und Dr. Markus Born von den bayerischen Chemieverbänden den Politikvertretern die aktuell im Chemiedreieck drängendsten Themen vor.